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17:40 Uhr | 28.04.2015

KITA-Prozess: Mehr Unklarheiten?

Die Erzieherinnen sind im Prozess um die Vorkommnisse in der Altenburger KITA Spatzennest freigesprochen wurden. Damit könnte man zur Tagesordnung zurück kehren... man könnte, aber leider ist das nicht so einfach. Denn viele Fragen bleiben offen. Können die freigesprochenen Erzieherinnen tatsächlich wieder in der besagten KITA arbeiten? Was wird aus den psychischen Folgewirkungen der ehemaligen Angeklagten? Was wird aus den verunsicherten Eltern? Gibt es Nachwirkungen bei den Kindern? Haben sich die Zeugen alles nur eingebildet?
Zumindest zu Letzterem hat der Prozess einen Beitrag geleistet. Tatsächlich wurden Kinder zum Schlafen in Decken gewickelt und ihnen mit, mehr oder weniger, Nachdruck auch das Essen gegeben, was diese nicht immer wollten. Deutlich wurde in dem Prozess auch, dass die Erzieherinnen dies im guten Glauben taten, weil sie die Kinder erziehen wollten, weil sie etwas Gutes wollten.
Die restlichen Fragen hat das zur Anwendung gekommene System des deutschen Rechtes eher verschleiert als beantwortet. Dies beginnt bei Fehlern im polizeilichen Protokoll, wo eine Namensverwechslung dazu führt, dass ein falsches Kind im Anklagepunkt behandelt wird. Der Vorfall um das richtige Kind kommt somit nicht wirklich zur Verhandlung. Diese Verwirrung kann der vorsitzende Richter innerhalb von Minuten aufklären, indem er das Kind von der Zeugin beschreiben lässt. Gar keine schlechte Idee, die auch die Polizei hätte haben können.
Auch die vielen Nachfragen, wer wann wo und wie lange Dienst in der betroffenen Gruppe hatte, hätte der vorhandene Dienstplan recht schnell klären können, wenn er denn Eingang in die Beweise gefunden hätte.
Vor allem, dass es zweieinhalb Jahre dauert, bis der Prozess verhandelt werden kann, stellt für alle Beteiligten im Grunde eine nicht hinnehmbare Belastung dar. Für die meisten Zeugen ist es fast unmöglich, sich an wichtige Details zu erinnern, die für die Angeklagten und deren Zukunft elementar sind. Zweieinhalb Jahre Ungewissheit für die betroffenen Erzieherinnen und für die betroffenen Eltern. Aber auch zweieinhalb Jahre Unklarheit für die Volkssolidarität, den Träger der KITA.
Durchaus nachdenklich macht auch die Position des gerichtlichen Gutachters, dessen Meinung, ohne die Kinder je persönlich gesehen zu haben, konträr zu zwei weiteren Gutachten steht. Aber immerhin weiß man jetzt, dass auch dessen Sekretärin und eine Mitarbeiterin schon einmal etwas von „Pucken“ gehört haben und er sich auf Langstreckenflügen auch gern in die Decke kuschelt und eine Augenbinde trägt. Dieses Wissen sei ihm gegönnt und ist auch notwendig, da er sich derzeit auf Weltreise befindet, was eine mögliche Verlängerung des Prozesses um ein halbes Jahr hätte hinausziehen können.
Was bleibt sind Ansätze aus dem Prozess, die zumindest klären, ob die Angeklagten alles richtig gemacht haben. Das dies nicht so ist, das machte Richter Dr. Sandy Reichenbach zur Urteilsverkündung deutlich. „Der Freispruch bedeutet nicht, dass die Angeklagten richtig gehandelt haben.“
Wenn sich die Erzieherinnen auch nicht strafbar gemacht haben, so obliegt die Erziehung grundlegend den Eltern und ist im Ausnahmefall mit denen abzusprechen. Dass es sich beim Einwickeln und Verschnüren von Kindern um eine Erziehungsmethode handelt, die umstritten ist und aus Sicht des Altenburger Gerichtes rechtswidrig, zumindest dies, ist auch ein Ergebnis des Prozesses. Und letztlich entscheidet keine Erzieherin, ob ein Kind eine Tomate zu mögen hat oder nicht. Denn die Welt geht nicht unter, wenn der Nachwuchs niemals in seinem Leben eine Tomate kostet. Insofern hat der Prozess eine deutliche Grenze gezeigt, welche kein Mitarbeiter einer KITA überschreiten sollte, auch wenn die betroffenen Erzieherinnen nur haarscharf und im guten Glauben, diese Grenze überschritten haben dürften.

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