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17:14 Uhr | 02.12.2024

Digital Verwaltung - ein Selbsttest

Die digitale Verwaltung in Deutschland – jeder spricht davon, aber niemand scheint sie wirklich zu haben. Dieser Eindruck entsteht zumindest häufig. Und jeder, der im Rahmen eines Verwaltungsvorgangs schon einmal eine PDF ausgefüllt und anschließend zum Zweck der Unterschrift ausgedruckt hat, um sie danach wieder einzuscannen und per Mail zu verschicken (mit ganz viel Glück, muss das Original noch auf den Postweg), weiß, wie dehnbar der Begriff „digitale Verwaltung“ in Verbindung mit Servicequalität sein kann.

 

Im unfreiwilligen Selbsttest durfte der Verfasser dieser Zeilen die digitale Verwaltung gleich zweimal erleben. Zum einen war der Ausweis abgelaufen, und ein neuer musste beantragt werden. Dazu holt man sich idealerweise einen Termin auf der Website der Stadtverwaltung Altenburg. Am angegebenen Tag finde ich mich im modernen Warteraum des Meldeamtes auf dem Kornmarkt wieder. Quasi pünktlich auf die Sekunde wird meine Nummer auf einem der Monitore angezeigt. Ich gehe in den angegebenen Raum, und die Ausweisbeantragung erfolgt – abgesehen von der Unterschriftenprobe – durch eine sehr nette Mitarbeiterin vollständig digital. Als nörgelnder Digitalfuzzi überlegt man kurz, warum man das nicht auch noch am heimischen Computer machen könnte, ist dann aber der Meinung, dass es doch ab und zu ganz gut ist, mal aus dem Haus zu kommen.

 

Aufgrund des fortgeschrittenen Alters ist zur gleichen Zeit ein Umtausch der Fahrerlaubnis notwendig. Um mich eines der letzten Zeugnisse der DDR-Vergangenheit zu entledigen, gehe ich ins Internet, um einen Termin beim Landratsamt Altenburger Land zu vereinbaren. Hier schickt man eine E-Mail an die Behörde mit dem Wunsch, einen Termin zu erhalten, wird zurückgerufen und sucht dann gemeinsam im Kalender nach einem passenden Termin. In digitalen Zeiten etwas befremdlich, aber gut! Wenn mich die Stadt auch mal aus dem Haus zwingt, schule ich beim Landratsamt eben meine Kommunikationsfähigkeit am Fernsprecher (ein selten verwendetes, aber sehr schönes und hier passendes Wort).

 

Der Tag des Amtsgangs ist gekommen, und ich stehe vor der Führerscheinstelle des Landratsamtes Altenburger Land – vor verschlossener Tür. Ein Zettel weist darauf hin, dass man nur mit Termin hineinkommt. Aber den habe ich ja: Punkt 9:00 Uhr soll ein DDR-Dokument in ein bundesdeutsches umgewandelt werden (und hoffentlich in 1:1). Ich bin unsicher, schaue auf die Öffnungszeiten und sehe, dass die Behörde theoretisch seit 8:00 Uhr geöffnet ist. Ein netter Herr mit Nummernschild unter dem Arm und einem vielsagenden Lächeln weist mich darauf hin, dass man klopfen müsse. Das tue ich, und siehe da: Ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma öffnet mir. Während ich noch darüber nachsinne, dass hier eine analoge Klingel die „digitale“ Servicequalität deutlich verbessern könnte, fragt mich der freundliche Herr nach meinem Termin. Ich finde mich mit meinem Anliegen auf einer Papierliste wieder, und er schickt mich zum entsprechenden Büro. Oha, denke ich, anstelle von unpersönlichen Monitoren setzt man im Landratsamt auf persönlichen Kontakt. Wenngleich mir der Herr im zugigen Korridor mit einem kleinen Tisch unter der Treppe etwas leid tut. Aber Harry Potter hat auch unter einer Treppe gewohnt – und schauen Sie, was aus ihm geworden ist.

 

Ich platziere mich in einem Wartegang, dessen Türen mit Ampeln versehen sind – scheinbar außer Betrieb. Allerdings wirken diese ohnehin wie Zugänge zu einem Verhörraum. Pünktlich um 9:00 Uhr werde ich von einer wirklich netten Mitarbeiterin ins Büro gerufen. Ich liefere ein digital lesbares Passbild und muss eine Art Karteikarte ausfüllen. Es gibt ja Menschen, die in Farben Musik hören oder denken. Gefragt nach Farben für Amtsvorgänge, würde ich graublau oder gelbbraun nennen. In letzterer Farbe gehalten fülle ich die Karteikarte mit Informationen aus, die eigentlich jedes Amt über mich haben sollte. Aber was weiß ich schon. Wäre die Schrift auf der Karteikarte in der beliebten Schriftart Fraktur des Deutschen Reiches gehalten, hätte mich das nicht überrascht. Während ich noch darüber nachdenke, ob Reichsbürger hier besonders viel Spaß hätten, ist mein Amtsgang auch schon beendet. Dies liegt allerdings mehr an der kompetenten Arbeit der Mitarbeiterin und weniger an der Digitalisierung. Während ich den Gang zum Ausgang entlanggehe, vorbei an mehr oder weniger ordentlich angepinnten Informationszetteln, denke ich, dass mir ein vollständig digitaler Amtsgang am heimischen Computer diese kleine Reise in die Verwaltungsvergangenheit vornenthalten hätte. Von wegen Vergangenheit...

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